OLG Hamm: Besuchserlaubnis für neuen Verteidiger auch bei Kontakt durch Dritte

Rechtsanwalt Plahr


Blogbeitrag: Freie Anwaltswahl in U-Haft: OLG Hamm erleichtert Kontaktaufnahme zu neuem Verteidiger

9. Mai 2025


Freie Anwaltswahl in U-Haft OLG Hamm erleichtert Kontaktaufnahme zu neuem Verteidiger Der Fall (Az. 3 Ws 385/24 vom 19.11.2024) • Angeklagter in Untersuchungshaft wollte einen weiteren Anwalt konsultieren • Kontakt über Bekannten und Lebensgefährtin zu RA Z. hergestellt • Landgericht Bochum verweigerte Besuchserlaubnis für Anbahnungsgespräch • Begründung: Kein direkter Wille des Angeklagten erkennbar Die Rechtslage • § 137 Abs. 1 StPO: Recht auf Wahl eines oder mehrerer Verteidiger • Art. 2 Abs. 1 GG: Grundrecht auf Verteidiger des Vertrauens • § 148 Abs. 1 StPO: Ungehinderter Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem (auch zur Mandatsanbahnung) • § 167 Abs. 2 BGB: Formfreie Vollmachtserteilung an Dritte möglich Die Entscheidung des OLG Hamm • Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts • Der Wille des Angeklagten war erkennbar (eigene Angabe vor Gericht) • Kontaktaufnahme durch Dritte (Lebensgefährtin, Bekannter) war mit Billigung des Angeklagten erfolgt • Formfreie Bevollmächtigung Dritter zur Mandatsanbahnung ist zulässig • Recht auf Kontaktaufnahme zu mehreren potenziellen Verteidigern Bedeutung für die Praxis • Stärkung der Beschuldigtenrechte in Untersuchungshaft • Erleichterung der Mandatsanbahnung durch Dritte als Stellvertreter • Keine formelle schriftliche Vollmacht erforderlich • Gerichte dürfen keine unangemessen hohen Hürden setzen • Effektive Wahrnehmung des Rechts auf freie Anwaltswahl Stand: 9. Mai 2025

Das Recht auf freie Wahl eines Verteidigers ist ein Eckpfeiler des fairen Verfahrens. Insbesondere für Beschuldigte in Untersuchungshaft ist die Möglichkeit, einen Anwalt ihres Vertrauens zu konsultieren und zu beauftragen, von existenzieller Bedeutung. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit einem aktuellen Beschluss (Az. 3 Ws 385/24 vom 19.11.2024) die Rechte von Inhaftierten in diesem Kontext gestärkt und klargestellt, unter welchen Umständen die Anbahnung eines Mandatsverhältnisses – auch über Dritte – zu ermöglichen ist.

Der Fall: Verweigerte Besuchserlaubnis trotz geäußertem Wunsch

Ein Angeklagter befand sich in Untersuchungshaft. Ihm waren bereits zwei Verteidiger bestellt worden. Über einen Bekannten, der wiederum durch die Lebensgefährtin des Angeklagten kontaktiert wurde, bat der Angeklagte darum, einen weiteren Rechtsanwalt (RA Z.) zu kontaktieren. RA Z. wandte sich daraufhin an die zuständige Strafkammer des Landgerichts Bochum und bat um eine Besuchserlaubnis, um ein Anbahnungsgespräch mit dem Angeklagten führen zu können.

Die Strafkammer lehnte dies wiederholt ab. Die Begründung: Es sei nicht ersichtlich, dass der Besuch auf Veranlassung des Angeklagten stattfinden solle. Auch nachdem RA Z. anwaltlich versicherte, dass der Angeklagte einen ehemaligen Mandanten ersucht habe, sich um einen weiteren Verteidiger zu bemühen, und der Angeklagte selbst auf Nachfrage der Kammer angab, er beabsichtige einen weiteren Anwalt zu bevollmächtigen (dessen Namen er aber nicht kenne, da dieser "von Außerhalb" kontaktiert worden sei), blieb die Kammer bei ihrer ablehnenden Haltung. Sie stützte sich dabei auf eine frühere Senatsentscheidung und argumentierte, ein Anbahnungsfall liege nicht vor, da der Rechtsanwalt durch Dritte kontaktiert worden sei, ohne dass festzustellen sei, dass dies auf den Willen des Angeklagten zurückzuführen sei.

Die Rechtslage: Das Recht auf Verteidigerwahl und Kontaktaufnahme

Gemäß § 137 Abs. 1 StPO kann sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens eines oder mehrerer Verteidiger bedienen. Dieses Recht wird durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet und umfasst das Recht, sich von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

Für inhaftierte Beschuldigte bedeutet dies konkret:

Darüber hinaus kann sich der Beschuldigte bei der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses eines Dritten als Stellvertreter bedienen. Die Erteilung einer entsprechenden Vollmacht ist gemäß § 167 Abs. 2 BGB formfrei möglich.

Die Entscheidung des OLG Hamm: Wille des Angeklagten ist entscheidend

Das OLG Hamm hob den Beschluss des Landgerichts Bochum auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Der Senat stellte klar, dass die Argumentation des Landgerichts nicht tragfähig sei.

Die Kernaussagen des OLG Hamm sind:

Das OLG Hamm betonte, dass dem inhaftierten Beschuldigten neben unüberwachten Gesprächen auch die unüberwachte telefonische und schriftliche Kontaktaufnahme zur Anbahnung eines Verteidigungsverhältnisses ermöglicht werden muss – und dies ggf. auch zu mehreren Rechtsanwälten.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm ist ein wichtiges Signal für die Stärkung der Beschuldigtenrechte, insbesondere für Personen in Untersuchungshaft. Sie verdeutlicht:

Diese Entscheidung erleichtert es Inhaftierten, ihr Recht auf freie Anwaltswahl effektiv wahrzunehmen und Kontakt zu einem Verteidiger ihres Vertrauens aufzubauen, auch wenn die Kommunikation aus der Haftanstalt heraus erschwert ist.

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