Volksverhetzung im Netz – BayObLG präzisiert den „Adressatenkreis“
31. August 2025
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat mit Beschluss vom 24.06.2025 (203 StRR 67/25) ein Berufungsurteil aufgehoben, das eine Verurteilung wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB) bestätigt hatte. Die Feststellungen zur Veröffentlichung und zum Wortlaut blieben bestehen; die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Entscheidend: Der Tatrichter hatte den „Adressatenkreis“ nicht hinreichend bestimmt und die inkriminierte Äußerung nicht im Gesamtkontext gewürdigt.
Leitsätze
1. Der Adressat einer möglichen Volksverhetzung ist nicht eindeutig bestimmt, wenn der vom Tatrichter festgestellte Personenkreis mehrere mögliche Gruppen mit sich deutlich unterscheidenden Identitätsmerkmalen erfasst, so dass eine Abgrenzung von der Gesamtbevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale nicht mehr eindeutig möglich ist.
2. Die Auslegung des Tatrichters ist zu beanstanden, wenn er nur die von ihm als inkriminiert erachteten einzelnen Textstellen der Verlautbarung herausgreift, diese Passagen jedoch nicht in den Gesamtkontext einstellt.
Was hat das BayObLG konkret beanstandet?
Das Landgericht hatte angenommen, der Facebook-Text richte sich gegen „alle in Deutschland lebenden Muslime“ beziehungsweise gegen Ausländer aus arabischen oder muslimisch geprägten Ländern „oder auch“ gegen deutsche Staatsangehörige mit entsprechendem kulturellen Hintergrund. Damit wurden mehrere Gruppen vermischt, ohne die Adressaten präzise abzugrenzen. Zudem wurden nur einzelne, als inkriminierend angesehene Textpassagen isoliert zitiert; eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung und die Erörterung naheliegender Alternativdeutungen fehlten.
Rechtsrahmen kompakt
§ 130 Abs. 1 StGB setzt eine gegen eine bestimmte Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe gerichtete Äußerung voraus. Bei Äußerungsdelikten ist Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten: Maßgeblich ist der objektive Sinn für ein unvoreingenommenes Publikum; Wortlaut, Kontext und erkennbare Begleitumstände sind heranzuziehen. Bei Mehrdeutigkeit ist die grundrechtsfreundliche Deutung vorzuziehen. In der Revision prüfbar sind Auslegungsfehler, Denk- und Sprachgesetzverstöße sowie fehlende Auseinandersetzung mit alternativen Deutungen.
Praxisfolgen & Verteidigungsansätze
Für die Verteidigung in Verfahren wegen § 130 StGB ergeben sich drei Hebel: Erstens ist die Adressatenbestimmung strikt zu prüfen; das Vermengen heterogener Gruppen genügt nicht. Zweitens ist der Gesamtkontext des Beitrags maßgeblich: isolierte Zitate reichen nicht. Drittens sind alternative, grundrechtsfreundliche Deutungen aktiv herauszuarbeiten und mit Tatsachen zu unterlegen. Im Ergebnis kann dies die Eignung zur Friedenstörung oder die tatbestandliche Zuordnung in Frage stellen.
Was wir für Sie tun
Wir verteidigen Sie in allen Stadien des laufenden Strafverfahrens. Nach Übersendung aller Unterlagen und Zahlung eines Vorschusses nehmen wir Akteneinsicht und prüfen den Tatvorwurf. Oft sind vermeintlich strafbare Äußerungen letztlich nicht strafbewährt, wenn sie im Lichte der Meinungsäußerungsfreiheit ausgelegt werden. Sollte doch eine Strafbarkeit bestehen, gibt es vielfältige Möglichkeiten, eine Vorstrafe zu vermeiden. Wir helfen!
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